Fliegen kurzgefasst
Physik des Fliegens in einer knappen Darstellung

Vögel und Flugzeuge sind viel schwerer als die Luft, die sie verdrängen. Ihr Gewicht ist so groß, dass neben dem statischen Auftrieb eine weitere Gegenkraft erforderlich ist, die sie in der Luft hält. Diese Kraft entsteht an den Tragflächen und wird dynamischer Auftrieb bezeichnet, weil sie erst bei relativer Bewegung zwischen Luft und dem Fluggerät entsteht. Beim Flug auf gleicher Höhe gleicht der dynamische Auftrieb das Gewicht aus. Der statische Auftrieb spielt nur eine unbedeutende Nebenrolle.
Schub. Vögel und Flugzeuge können nur starten, wenn sie eine Schubkraft aufbringen. Flugzeuge haben dafür Triebwerke, Vögel auch. Die "Triebwerke" der Vögel sind ihre Flügel, mit denen sie beim Flügelschlag Luft ansaugen und nach hinten wegdrücken. Dadurch entsteht Schubkraft wie beim Flugzeug. Vögel und Flugzeuge brauchen ihre Schubkraft für drei Zwecke: Zum Starten, zum Steigen, und um die Flughöhe zu halten. Beim Starten beschleunigen sie mit Hilfe ihres Schubs auf die Geschwindigkeit, mit der sie vom Boden abheben können. Der dynamische Auftrieb ist dann groß genug geworden, um das Fluggerät zu tragen. Damit Vögel und Flugzeuge an Höhe gewinnen, benötigen sie zusätzliche Schubkraft, die sie gegen die Schwerkraft hochdrückt. Beim Starten, beim Steigen und im Reiseflug muss zudem stets der Strömungswiderstand überwunden werden.
Widerstand. Luft hat eine kleine Zähigkeit und reibt entlang der Oberfläche des Flugzeugs oder Vogels. In der Summe über alle Oberflächen wirkt sich diese Tatsache als Kraft der Luft aus, die entgegen der Flugrichtung wirkt. Dieser Reibungswiderstand wird durch die Schubkraft der Triebwerke oder des Flügelschlags überwunden. Die Reibung ist aber nur der eine Teil des Strömungswiderstands, den die Triebwerke überwinden müssen.


Umverteilung des Massenstroms. Der entscheidende Punkt ist die Verteilung der Strömung mit und ohne Anstellwinkel der Platte. Ohne Anstellwinkel würde sich die einströmende Luft von der Menge her gleichmäßig auf Ober- und Unterseite verteilen. Diese Verteilung ist durch den Balken am rechten Rand angedeutet, der seine Farbe auf der punktierten Linie von dunkelgrün nach dunkelbau wechselt. Mit Anstellwinkel fließt mehr Masse über die Oberseite, denn die Beobachtung zeigt, dass die teilende Stromlinie nun etwas hinter der Vorderkante auf der Unterseite der Platte endet. Diese Verteilung ist zweimal, sowohl links wie rechts, mit den beiden Balken angedeutet, die ihre Farbe an der teilenden Stromlinie von einem blassen Grün in ein blasses Blau wechseln. Damit der erhöhte Anteil der einströmenden Luft auf der Oberseite der Platte in der gleichen Zeit weiterfließt wie er in den Kanal einströmt, muss seine Fließgeschwindigkeit höher werden. Für die Unterseite gilt das Gegenteil. Der verringerte Anteil an der Strömung um die Unterseite fließt nun langsamer als im Fall ohne Anstellwinkel. Diese Beobachtung erklärt das Entstehen des Auftriebs. Dazu muss man die Erhaltung der Energie in der Strömung verstehen.
Erhaltung der Energie in der Strömung. Die einfließende Luft wird durch zwei Größen gekennzeichnet: Druck und Geschwindigkeit. Der Druck ist direkt die Ruheenergie oder statische Energie pro Volumeneinheit in der Strömung. Die Geschwindigkeit, genauer gesagt das Quadrat der Geschwindigkeit, ist ein Maß für die Bewegungsenergie oder kinetische Energie in der Strömung, ebenfalls bezogen auf eine Volumeneinheit. Der Satz von der Erhaltung der Energie in der Strömung (in Physikbüchern unter dem Namen Bernoullische Gleichung zu finden) sagt:
Die Summe von statischer und kinetischer Energie in der Strömung bleibt konstant.
Bei der Umströmung der Platte oder Tragfläche gibt es keine Energiequelle, die diese Summe vergrößern könnte. Die Bildung von Wärme durch die Reibung an der Oberfläche der Platte wird dabei ebenso vernachlässigt wie die Umwandlung von Bewegungsenergie in Wärme im Strömungsfeld. Diese findet zwar statt, aber der Anteil verändert die Summe von statischer und kinetischer Energie so geringfügig, dass er in der voranstehenden Gesetzmäßigkeit unbeachtet geblieben ist. Gleichwohl verändert sich aber der jeweils vorhandene Anteil von statischer und kinetischer Energie. Vergrößert sich die statische Energie, so nimmt die kinetische Energie ab und umgekehrt.
Erklärung des Auftriebs. Diese einfache Betrachtung der Erhaltung der Energie in der Strömung erklärt nun auch das Enstehen des dynamischen Auftriebs an einer Tragfläche. Die angestellte Platte (ebenso wie eine gewölbte Tragfläche) mit Auftrieb erhöht den Massendurchsatz auf ihrer Oberseite im Vergleich zur Strömung ohne Anstellwinkel oder ohne Wölbung, also ohne Auftrieb. Dadurch nimmt die Strömungsgeschwindigkeit zu und der Druck nimmt ab. Auf der Unterseite verringert sich die Strömungsgeschwindigkeit und der Druck nimmt zu. In der Summe über die ganze Fläche ergibt diese Differenz den dynamischen Auftrieb. Den wesentlichen Anteil zum Auftrieb steuert der Unterdruck auf der Oberseite bei, nicht etwa der Überdruck auf der Unterseite. Daher ist ein "Abreißen" der Strömung auf der Oberseite bei zu langsamer Geschwindigkeit und zu hohem Anstellwinkel auch ein gefährlicher Flugzustand, den der Pilot durch Steuern der Flugzeugnase in Richtung Erdboden und die damit verbundene Zunahme der Fluggeschwindigkeit umgehend beenden muss. Landehilfen wie ausfahrbare Klappen vergrößern die Grundfläche der Flügel und tragen ein Flugzeug auch noch sicher bei niedrigen Geschwindigkeiten.
Nachtrag zur Energie in der Strömung. Die Erhaltung der Energie in der Strömung erklärt zwar örtlich das Entstehen des Auftriebs an einer Tragfläche, aber insgesamt betrachtet hat die Luft hinter einem Flugzeug oder Vogel mehr Energie als vor dem Durchfliegen. Die Leistung, die über die Schubkraft fortlaufend zur Überwindung des Reibungswiderstands aufgebracht wird, bleibt ebenso in der Luft zurück wie die Energie in den unvermeidlichen Randwirbeln. Aber auch wenn alle Effekte berücksichtigt werden, die zum Energieaustausch beitragen, so ändert sich die Ursache für das Entstehen des Auftriebs nicht. Der Austausch zwischen statischer und kinetischer Energie in der Folge der Umverteilung des Massenstroms beim Anstellen oder Wölben einer Tragfläche bleibt die wesentliche Ursache des Auftriebs.
Segelflugzeuge und Gleiter haben keine Triebwerke und sind ein Sonderfall unter den Fluggeräten. Entweder startet der Pilot von einem Berggipfel oder das Flugzeug wird von einer Seilwinde oder einem Schleppflugzeug in die Höhe gezogen. Je geringer der Strömungswiderstand ist, desto länger kann der Pilot in der Luft bleiben und langsam dem Boden entgegenschweben. Mit etwas Glück verlängern warme Aufwinde den Flug, indem das Fluggerät in diesem Windstrom in größere Höhen getragen wird.
Triebwerke sind Gasturbinen oder Kolbenmotoren und bringen auch Leistung auf. Aber anders als bei Straßenfahrzeugen oder bei Schiffen wird bei Flugzeugtriebwerken niemals deren Leistung angegeben, sondern stets nur deren Schubkraft. Dieser Umstand findet seine Erklärung in der Bestimmung von Triebwerken in der Luftfahrt. Die größte Belastung wird ihnen beim Start abverlangt, die Maßstab für ihre Bewertung ist. Das Flugzeug auf der Landebahn muss so kräftig wie möglich beschleunigt werden. Bekanntlich ist Kraft das Produkt aus Masse und Beschleunigung. Da die Schubkraft während des Startens konstant bei ihrem Maximalwert bleibt, nimmt die Geschwindigkeit dabei gleichmäßig pro Zeiteinheit zu. Je größer die Schubkraft ist, desto mehr Masse (Abfluggewicht) kann bei gegebener Länge der Landebahn beschleunigt werden bis auf die notwendige Geschwindigkeit, die zum Abheben erforderlich ist.
Wenn noch Fragen oder Anregungen bestehen, dann bitte Kontakt zum Herausgeber aufnehmen.
Zuletzt geändert: 14.06.2013