Physik des Fliegens mit dem Rundlauf RL3


Für eilige Leserinnen und Leser: Die Grundlagen des Fliegens in einer kurzgefassten Darstellung.

 

 

Hinweise. Auf dem ICAS Kongress 2010 (International Council of the Aeronautical Sciences) ist von uns erstmals eine Beschreibung des Rundlaufs vorgetragen worden mit einer Erläuterung unserer Forschungsziele.  Der Text liegt als PDF Datei vor und ist in Englisch verfasst. Auch die PDF-Fassung der Microsoft PowerPoint Präsentation steht zur Verfügung.
Auf dem ICAS Kongress 2012 in Brisbane wurde von W. Send über den künstlichen Vogel SmartBird berichtet, der zu großen Teilen mit dem Rundlauf entwickelt wurde. Der Bericht erklärt Physik und Messtechnik. Der Vogel wurde erstmals 2011 auf der Hannovermesse vorgestellt und erregte wegen seiner bemerkenswerten Flugeigenschaften weltweites Aufsehen.   

 

 

 

 

Alles Fliegen beruht auf Erzeugung von Luftwiderstand, alle Flugarbeit besteht in Überwindung von Luftwiderstand.
Otto Lilienthal, 1889

     Was sich heute als Selbstverständlichkeit liest, war vor einhundert Jahren eine bahnbrechende Erkenntnis, um die Lilienthal Jahre seines Lebens gerungen hat. Veröffentlicht hat er seine Einsichten in seinem Buch "Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst" (Berlin 1889), dem das Zitat entnommen ist.
     Luftwiderstand ist eine Kraft, gemessen in Newton [N]. Die Bewegung des Körpers entgegen dieser Kraft, die Geschwindigkeit als Weg pro Zeiteinheit [m/s], verlangt zu ihrer Aufrechterhaltung eine beständige Leistung als Kraft mal Geschwindigkeit, die in Watt gemessen wird [1 W = 1 Nm/s].
     Lilienthal hat am eigenen Leib erfahren dürfen, dass die Fähigkeit der fliegenden Tiere, sich in der Luft halten zu können, offenbar wenig Arbeit verlangt. Seine Untersuchungen gipfelten im Bau seiner Hängegleiter, in denen er ohne Kraftaufwand durch die Luft dem Boden entgegenschwebte.
   Zur Abbildung: Zu sehen ist Tafel VIII in Lilienthals Buch. Dargestellt sind drei Merkmale der Bewegung: Schlagen, Drehen und Schwenken. In Fig. 2 ist das Schlagen der Flügel abgebildet, in Fig. 4 und 5 das Drehen der Flügel bei Auf- und Abschlag (Lilienthal spricht von Niederschlag). Besonders interessant ist, dass Lilienthal das Schwenken ebenfalls schon gesehen hat. Unter Schwenken versteht man das Zurückziehen des Flügels entgegen der Flugrichtung beim Aufschlag, und das Vorziehen in Flugrichtung beim Abschlag. Dadurch wird der Weganteil beim Aufschlag deutlich kürzer als beim Abschlag (Fig. 3). Gleiche Bewegungen zeigen auch Untersuchungen an Insektenflügeln. Man kann sagen: Die drei Freiheitsgrade Schlagen, Drehen und Schwenken sind zusammen mit der Vorwärtsbewegung (Translation) die kinematischen Grundmuster des Tierflugs.


Aerodynamik

     Aerodynamik ist die Lehre von den mechanischen Wechselwirkungen zwischen einem in Luft bewegten Körper und dem umgebenden Strömungsfeld. Prägendes Merkmal dieses Teilgebiets der Strömungsmechanik ist die große gleichförmige Hauptgeschwindigkeit des Körpers gegenüber der ruhenden Luft. Dieser Bewegungsform können zusätzlich kleine Schwingungen überlagert sein, die entweder aus den elastischen Eigenschaften des umströmten Körpers hervorgehen oder aber von diesem selbst durch einen geeigneten Bewegungsapparat erzwungen werden.
     Ohne Antriebskraft wird die Leistung für die Vorwärtsbewegung beim Fliegen über den Verlust an Flughöhe aufgebracht. Durch Ausnutzen von Aufwinden kann verlorene Höhe zurückgewonnen werden. Bei angetriebenen Luftfahrzeugen mit starren Tragflächen wird die große gleichförmige Geschwindigkeit durch die Schubkraft der Triebwerke aufrechterhalten. Bei den großen Geschwindigkeiten regt der Luftstrom die stets elastischen Flügel leicht zu Eigenschwingungen an. Die kleinen Schwingungen entstehen hierbei als unerwünschte Nebenwirkung.
     Dagegen werden beim Tierflug die Schwingungen durch die physiologische Leistung der Bewegungsmuskeln hervorgerufen. Bei einem geeigneten Bewegungsablauf gelingt es dem Tier, mit Hilfe dieser Bewegung schon im Stand oder mit einem kurzen Anlauf eine Rückstoßkraft zu erzielen. Diese beschleunigt das Tier auf die gleichförmige Fluggeschwindigkeit. Neben dem Ziel, Vortrieb aufzubringen, müssen sich die fliegenden Tiere ebenso wie Luftfahrzeuge auch noch in der Luft halten können; beiden gelingt dies mit Hilfe des dynamischen Auftriebs an ihren Flügeln, der sich bei hinreichend großer Vorwärtsbewegung an den Tragflächen aufbaut.
Zur Abbildung: Lilienthal benutzte den abgebildeten Rundlauf, um den Auftrieb angestellter ebener und gewölbter Platten zu untersuchen. Die über Rollen angehängten Gewichte treiben die Spindel an. Der horizontale Hebel mit einem kreisförmigen Gewicht gleicht das Gewicht der drehenden Mechanik aus. Dadurch kann auf der Waagschale in der Mitte durch Auflegen von Messgewichten bestimmt werden, wie groß der erzielte Auftrieb ist.


Physik des Fliegens im Unterricht

     Blickt man auf die verschiedenen Ansätze, die Physik des Fliegens zu unterrichten, so ist das Fehlen einer Experimentiereinrichtung zum Schwingenflug ein offenkundiger Mangel. Für diese Bewegung, die wir tagtäglich in der Natur um uns herum beobachten, gibt es bislang kein quantitatives Experiment für den Hörsaal. Die weltweit wenigen Modelle sind stets nur von ihren Erbauern betrieben worden und Einzelstücke geblieben. Eine Versuchseinrichtung, die die physikalischen Grundlagen des Fliegens demonstriert, sollte die voranstehenden grundlegenden Phänomene der Aerodynamik zeigen können:

  • Auftrieb und Widerstand der tragenden Fläche,
  • Vortriebserzeugung mit einer Tragfläche nach Art des Schwingenflugs und
  • Leistungsaufnahme einer Tragfläche aus dem Luftstrom bei Eigenschwingungen.

     Die Versuchseinrichtung Rundlauf RL3 ist entwickelt worden als Mess- und Demonstrationsgerät für Versuche zur Physik des Fliegens allgemein und zu den Grundlagen des Tierflugs. Die beiden wesentlichen Kräfte Vortrieb und Auftrieb beim Fliegen lassen sich anschaulich vorführen und messen, vor allem aber auch der Schwingenflug und das Flugzeugflattern.



Rundlauf RL3

     Das Bild stellt die gesamte Versuchseinrichtung dar. Die Zentraleinheit ruht auf einem Stativ und trägt den Ausleger mit dem jeweiligen Modell. Da der Ausleger aus zwei Teilen besteht, kann der Rundlauf in zwei Durchmessern 4.5 m und 6 m aufgebaut werden. Das Stativ muss besonderen Anforderungen genügen. Stromversorgung und Messdatenerfassung erfolgen über 8 m lange Zuleitungen zur Zentraleinheit. Die Modelle können von ganz unterschiedlicher Art sein. Angefangen vom künstlichen Vogel über Tragflächen können ebenso ganze Flugzeugmodelle vermessen werden.

Messung des Auftriebs

     Während bei Lilienthal der Auftrieb als zusätzliche Kraft zum Gewicht der Versuchseinrichtung gemessen wird, verändert beim RL3 der Auftrieb den Fliehkraftwinkel. Die Auftriebskraft  ergibt sich in wenigen Rechenschritten durch eine einfache Beziehung, die aus dem Kräftegleichgewicht am Modell der Masse m folgt:

     Die Winkelgeschwindigkeit wird über eine Lichtschranke ermittelt. Die Messung des Fliehkraftwinkels erfolgt am Gelenkkopf Gk. Dort lässt sich der Fliehkraftwinkel auch direkt ablesen. Über ein eingebautes Winkelpotentiometer kann die Stellung des äußeren Arms mit der Masse auch elektrisch angezeigt werden.

"Flattern" einer Tragfläche

     Eine elastisch aufgehängte Tragfläche zeigt das sogenannte Flugzeugflattern. Flattern ist der inverse Effekt zum Schwingenflug. Die Tragfläche muss gegen die Luft von einer äußeren Schubkraft bewegt werden und kann dann durch Schlagen und Drehen dem Luftstrom Leistung entnehmen. Umgekehrt entsteht beim Schwingenflug Schubkraft durch aufgebrachte Leistung beim Schlagen mit gleichzeitiger Drehbewegung.
     Unterhalb der Flattergeschwindigkeit werden Störungen - etwa durch eine Windböe - gedämpft und die Schwingungen klingen ab. Bei Überschreiten der Grenze sind die Schwingungen angefacht und setzen von selbst ein.
Hinweis: Bilder zu diesem Versuch finden sich in Experiment 5 des Jugendlabors DLR_School_Lab des DLR am Standort Göttingen.

 


Details der Versuchseinrichtung

  
       Zentraleinheit                                        Schlagmechanik
Die Schlagmechanik des künstlichen Vogels ist aktiv nur eine reine Schlagbewegung. Die Drehung der Tragflächen entsteht passiv durch die angreifenden Luftkräfte.


Messung des Widerstands

     Die nebenstehende Zeichnung zeigt den Rundlauf RL3 in der Aufsicht. Der Schleppmotor zieht über den Schlepparm das Modell auf der Kreisbahn vorwärts. Der Bahnradius Rß hängt von den Versuchsbedingungen ab und kann bestimmt werden. Der Schlepparm greift im Abstand Rf von der Achse am Ausleger an. Aus der angezeigten Schleppkraft lässt sich über das Hebelgesetz der Luftwiderstand des Modells ermitteln.

Schwingenflug im Experiment

     Ist als Modell keine Tragfläche, sondern der künstliche Vogel eingehängt, dann kann zusätzlich zum Schleppen die Schlagmechanik angestellt werden. Durch den Druck der Luft verwinden sich die Tragflächen zu den Flügelspitzen hin immer stärker. Im einzelnen Flügelschnitt stellt sich die gekoppelte Schlag- und Drehbewegung ein, die Lilienthal schon gesehen hat. Durch den Schwingenflug wird der Luftwiderstand, der zunächst gemessen wurde, vollständig überwunden. Die Schleppkraft wird nicht mehr benötigt; man kann den Schlepparm auch ganz aushängen.

Mechanismus des Vortriebs

     Eine vereinfachte Betrachtung im Bild links zeigt, wie man sich den Mechanismus des Vortriebs vorstellen kann. Bei Aufschlag ist die Verdrehung der Tragfläche gerade so groß, dass der Flügelquerschnitt noch von oben angeströmt wird. Auf der Oberseite entsteht ein Staupunkt. Dadurch erfährt der Flügelquerschnitt eine Kraft nach unten. Wird nun der Flügel gleichzeitig positiv angestellt, dann richtet sich die abwärts zeigende Querkraft nach vorne. Der Anteil in Bahnrichtung verursacht eine Schubkraft. Beim Abschlag kehren sich Kräfte und Bewegungsrichtungen um. Bei dieser Betrachtung muss man sich stationäre und instationäre (zeitlich veränderliche) Kräfte als überlagert vorstellen. Deshalb bleibt der stationäre Auftrieb FA von dieser Betrachtung unberührt.
 
 
 

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